Donnerstag, Mai 25, 2006

Nachtgedanken

Ich will ein bißchen über meine letzte Nacht schreiben, also eigentlich eher die letzten zweieinhalb Stunden, um genau zu sein. Und ich glaube, es wird mir nicht leicht fallen, zusammenzufassen, was mir so alles durch den Kopf fuhr. Vielleicht sollte ich tatsächlich mal über die Anschaffung eines Blackberry oder einfach irgendeines Gerätes nachdenken, mit dem man unterwegs halbwegs bequem schreiben kann - oder ich mach es wieder wie in Indien: Schreibblock immer dabei, denn die meisten Gedanken kommen einem vor Ort.

Morgen -äh heute- ist Himmelfahrt. Schade, ich vermiß ein bißchen die Fahrradsauftouren ins Grüne, werde ich hier morgen nämlich nicht haben. Ich bin also heute abend im Onnella gelandet, einer im Grunde Großraumdizze im Kellergeschoss mit drei Bereichen: Rock, Dance und Finnisch :-) Irgendwie war der Laden für mich von Anfang an so ein Kandidat wie "kann man hingehen, wenn's sonst nichts besseres gibt". Denn eigentlich ist es immer gleich dort, finde ich. Von Girlies mit high heels, wie Spitzhacken geformt, bis zu halbwegs alternativem Volk findet man so ziemlich alles, auch wenn erstere dann doch vorherrschen.

Nun wurde mir also gesteckt, heute sei dort billige-Getränkepreise-Tag. Das hat sich dann am Eingang auch gleich als Gerücht entpuppt: 7€ Eintritt plus 2€ Garderobe. Ein 0,4l gezapftes Plörrebier kostet 4,50€. Willkommen in Finnland. Aber egal, irgendwie war es das heute trotz des Kurzaufenthaltes wert. Um 1:47 Uhr habe ich nämlich den letzten Zug genommen. Der erste geht erst wieder um 6:07 oder so, und dazwischen Nachtbusse mit entsprechendem Nachtaufschlagspreis.

Naja, es zog mich also ziemlich schnell zum hintersten Bereich, dem "finnischen" (ich finde keinen besseren Namen). Und jetzt, wo hier allgemeine Aufbruchstimmung unter den großenteils nicht mehr anwesenden Austauschstudis herrscht, fängt man plötzlich an, herumzusinnieren. Und so tat ich eigentlich nichts anderes als die Atmosphäre aufsaugen. Und die könnte man selbst mit Video nicht festhalten, auch wenn ich das gerne nochmal machen würde.
Dort, im finnischem Bereich nämlich, sind die Tische und Bänke für's auf-den-Tischen-tanzen konzipiert. Alles fest und stabil, und über den Tischen, die sich mit einer durchgehenden Bank an der Wand einmal rund um die Bar ziehen, ist eine ebenso stabile Festhaltestange angebracht. Das Abstellsims an der Wand für Getränke, auf Greifhöhe vom auf-dem-Tisch-stehend, fehlt auch nicht. Und die Finnen lieben das auf-den-Tischen-tanzen, zumindest dort.

Und wie ich das so beobachtete, wußte ich, daß ich das vermissen werde, falls ich dann doch gehen muß: die ausgelassene, bierselige Stimmung und deren Liebe zum Rock! Über Lordi habe ich ja in den letzten Einträgen genug geschrieben. Und ich bekam echt eine Gänsehaut, als sie Lordi mit "Hard Rock Hallelujah" spielten! Der ganze Saal grölt mit, da werden die Haare geschüttelt und Luftgitarre gespielt und man fühlte einfach, wie happy sie sind, einmal den (wenn in meinen Augen auch albernen) Eurovision Contest gewonnen zu haben. Unsere Finnischlehrerin erwähnte mal, daß die Finnen einen kleinen Komplex haben, (zu) wenig Beachtung in der Welt zu finden, weil sie so ein kleines Volk sind. Und jetzt hört die ganze Welt von Finnland und Lordi, und ich fange fast an, mich selber als Finne zu fühlen, so freue ich mich für sie! Zumindest so lange ich da war, spielten sie Lordi zwei mal, wer weiß, wie oft noch! Und wenn dann nach Lordi gleich noch die nächste Metal-Hymne, die vor kurzem in den Charts war (Täivas Lyö Tulta von Teräsbetoni, übrigens der Song im Pasila Parties Film) gespielt wird, dann kocht der Saal echt!

Ich kann natürlich in 9 Monaten Finnland immer noch nicht mehr auf finnisch als ein paar Schimpfworte, ja, nein, danke, t'schuldigung, tschüs und "ich habe einen kater", aber wie mit dem Hindi damals hört es sich mittlerweile so familiär an, daß es ein Genuß ist, dem fröhlichen Mitgesinge zuzuhören. Ich mag Finnisch, auch wenn es unmöglich scheint, es proper zu lernen. Und ich mag auch die finnische Schrulligkeit irgendwie, weil sie nur oberflächlich ist. Wenn ich dann an Ende Juli denke, wo ich endgültig meine Sachen packe (wenn nicht noch irgendwas passiert hier arbeitsmäßig), wird mir fast ein bißchen "Heimweh"ig, was ja im Grunde eher "Fernweh"ig sein sollte. Aber mit der Definition, wo "heim" sein könnte, werde ich jetzt nicht anfangen.

Auf dem Weg zum Zug hörte ich echt aus jeder zweiten Kneipe "Hard rock hallelujah", mann mann, die haben echt Volkshelden jetzt! Und noch was Nettes: auch nachts um 2 ist es hier jetzt nicht mehr richtig dunkel nachts. Der Himmel strahlt am Horizont immer in einem hellen Grau-blau, und Wolken kann man auch die ganze Nacht klar erkennen. Einfach toll, nur daß ich mich immer ein bissl mies fühle, im Hellen von ner Party zu kommen. Das ist jetzt quasi immer der Fall.

Und nochmal über die mir hier so toll erscheinende Kneipenstimmung nachdenkend: Osnabrück war keine Großstadt, und damals ständig von Uetersen nach Hamburg zu tingeln, war auch keine dauerhafte Option. Vielleicht kneipt es sich in Deutschland ja genauso gut. Nur weiß ich es dann nicht, weil ich einfach nie echtes Kneipenflair vor der Tür hatte. Und letztendlich kommt hier dann eben der Auslandsbonus drauf, weil ich automatisch alles ein paar Ticks spannender finde, auch wenn es der gleiche Kram ist, wie zu Hause.

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